"Der fröhliche Weinberg" von Carl Zuckmayer gespielt vor dem Nackenheimer Rathaus 2016 Quelle: Rebecca Koss

    Uraufführung "Der fröhliche Weinberg"

    1925 IN BERLIN:

    Die Uraufführung von Zuckmayers "Der fröhliche Weinberg"

    "Und dann kam die Premiere. Das wundervolle alte, kluge Berliner Publikum saß unten, und jede Pointe kam an, und es prasselten die Beifallsstürme. Und immer wieder Applaus. Und Du, Zuck, standest in der Kulisse, hattest den Feuerwehrmann im Arm, hattest seinen Helm auf, eine Flasche »Nackenheimer« im Arm, und strahltest und schriest begeistert »Herrgott, die Leute verlachen mit die ganzen Pointen«..." Mit diesen Worten beschreibt Käte Haack den Erfolg der Uraufführung des Lustspiels "Der fröhliche Weinberg" von Carl Zuckmayer am 22. Dezember 1925 im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin'. Zuckmayer selbst schildert das Ereignis in seinen Memoiren "Als wär's ein Stück von mir" mit folgenden Worten- "Ich blieb die ganze Vorstellung hindurch hinter der Bühne und sprach - amüsierte Beobachter erzählten es mir später - jedes Wort auf lautlosen Lippen mit. Nach den ersten Sätzen bereits kam ein Ton aus dem Zuschauerraum, der mir durch Mark und Bein ging, es war wie das Knurren einer hungrigen Bestie und schwoll jählings zu einem schrillen, geltenden Gewieher wie von tausend Teufeln. Gleich darauf knatterte und pladderte es, als prassele ein Gewitterschauer auf ein Blechdach herunter. Bruck, der Regisseur, stand plötzlich neben mir und kniff mich wie ein Krebs in den Arm. »Lachsalven!«, flüsterte er, »Szenenapplaus!«." 2 Carl Zuckmayer schließt seine ausführliche Darstellung, auch der folgenden Premierenfeier, mit dem Satz- "Jetzt konnte die Arbeit beginnen !"3 Hatte er vorher nicht literarisch gearbeitet? Schon seit seiner Schülerzeit befasste sich Carl Zuckmayer mit der Dichtung. Als ältestes Zeugnis dieses Strebens gilt sein Gedicht über den Hundescherer Matthias Leisen, das ihm bei seinen Mitschülern große Anerkennung einbrachte. Während seiner Soldatenzeit an der Westfront wurden erstmals Texte von ihm veröffentlicht. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges studierte er eine Zeit lang, beteiligte sich an einem linken Zeitungsprojekt und verfasste expressionistische Gedichte und Stücke. Sein erstes Drama "Kreuzweg", ein ganz dem Expressionismus verhaftetes Stück, am 10. Dezember 1920 in Berlin uraufgeführt, war ein glatter Reinfall. Es wurde von seinem Freund Ludwig Berger wie folgt beschrieben- "Kreuzweg hieß es und spielte zwischen dem Mond und der Nackenheimer roten Erde, wo der gute Rheinwein herkommt." Es führt also eine deutliche Linie hin zu dem Stück, mit dem Carl Zuckmayer fünf Jahre später den Durchbruch erzielte. Im "Fröhlichen Weinberg" war die Handlung von der Mondnähe herunter auf die Nackenheimer rote Erde geholt worden.

    Bis dahin hatte der junge Literat aber noch eine große Durststrecke hinter sich zu bringen. Neben kurzfristigen Tätigkeiten als Dramaturg an den Städtischen Bühnen Kiel und am Deutschen Theater in Berlin schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten, z.B. als Schlepper für illegale Nachtlokale durch. Nachdem auch sein zweites Stück, "Pankraz erwacht oder die Hinterwäldler" nicht den erstrebten Erfolg brachte, nahm Carl Zuckmayer das Angebot eines Vetters seiner Mutter, Dr. Ernst Goldschmidt an und zog sich im Sommer 1925 für einige Zeit in ein von diesem angemietetes ritterburgartiges Schloss am Wannsee zurück.

    Zuckmayer hatte zwei Stoffe im Kopf, einen tragischen nach einer Erzählung von Regina Ullmann, und einen heiteren, den er sich als "lyrisches Lustspiel" dachte, in seiner Heimat angesiedelt. Er entschied sich für das Lustspiel und begründet dies wie folgt- "Zum erstenmal seit den Kriegsjahren erfüllte mich wieder ungetrübte Heiterkeit, und mit ihr war das Band zur Landschaft, zur Melodie und Welt meiner Jugendzeit aufs engste verknüpft. " 4 . Das Stück war eine radikale Abkehr von seinem bisherigen Werk. Von der Theaterkritik wurde es begeistert als das Ende des Expressionismus gefeiert. Noch vor der ersten Aufführung erhielt Zuckmayer den renommierten Kleistpreis verliehen. Hundert Bühnen spielten in diesen Jahren den "Fröhlichen Weinberg". Die Arbeit, mit der Carl Zuckmayer nun begann, brachte weitere Erfolge, an der Spitze die Schauspiele "Der Schinderhannes" und "Der Hauptmann von Köpenick".

    Von Anfang an gab es aber auch Proteste. Korpsstudenten fühlten sich in ihrer Würde verletzt, soldatische und nationale Kreise wähnten sich angegriffen. Insgesamt sind 63 Theaterskandale verzeichnet. Auch die Nackenheimer protestierten. Besonders betroffen war der honorige Weingutsbesitzer Carl Gunderloch, dessen einprägsamer Name in diesem Lustspiel verwendet worden war. Zuckmayer schreibt in seinen Erinnerungen dazu- "ich selbst glaubte, in meinem erfundenen Gunderloch einen Mann hingestellt zu haben, über dessen Namensvetternschaft sich kein Deutscher kränken könne. Aber der alte Herr, dem man von allen Seiten zutrug, dass er in einem »schweinischen Stück« vorkomme, und der tatsächlich glaubte, er sei »gemeint«, kränkte sich. Er regte sich so sehr darüber auf, dass er gesundheitlichen Schaden nahm. Mir war das, als ich es erfuhr, ehrlich leid, nie hatte ich derartiges vermutet, aber ich konnte es nun auch nicht ändern. Ich musste den Zorn und die Empörung meiner Heimat auf mich nehmen. "5

    Es ging den Nackenheimern bei ihrer Ablehnung nicht um die Beschmutzung nationaler Ehre und studentischer Tugend. Nein, die Darstellung ihrer Gemeinde und ihrer ländlichen Umgebung in der Form von derben Gestalten, die Unmoralisches im Schilde führten, das gefiel den meisten Nackenheimern nicht. Hinzu kam, daß sich auch die Nackenheimer in den zwanziger Jahren modern gebärden wollten. Die Darstellung von Misthaufen und fehlenden Toilettenanlagen wurde deshalb empört zurückgewiesen. So nutzten sie eine große Bauerndemonstration, die am Tag der Mainzer Premiere stattfand, um ihre Verärgerung mit Parolen wie folgender kund zu tun: "Carlche komm nach Nackenheim, Du sollst uns hoch willkommen sein! Wir schlagen krumm und lahm dich all und sperrn dich in de Schweinestall, denn do gehörst de hi' !"6 Eine großes Polizeiaufgebot war nötig, um das Theater von den Demonstranten abzuschirmen.

    Eine Wende in den Beziehungen gab es erst einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Initiative eines von drei Bürgern gegründeten Zuckmayer-Kreises führte dazu, daß Carl Zuckmayer 1952 zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde ernannt wurde. Die Nachkommen des Weingutsbesitzers Gunderloch reichten ihm die Hand zur Versöhnung. Der "Fröhliche Weinberg" wurde nicht nur akzeptiert, der Begriff avancierte in den folgenden Jahren zu einem Markenzeichen für Nackenheim. Im Ortsmuseum der Gemeinde ist diese Entwickung in sehr anschaulicher Weise dokumentiert.

    Der fröhliche Weinberg findet immer wieder seinen Weg auf die deutschen Bühnen. Die Carl Zuckmayer-Gesellschaft führt mit ihrem Ensemble seit ihrem Gründungsjahr 1972 regelmäßig dieses Lustspiel auf. Heute finden die Freilichtaufführungen stilgerecht und beziehungsreich im Garten des Weingutes Gunderloch statt. In den letzten Jahrzehnten verkörperten den Weingutsbesitzer Jean-Baptist Gunderloch sicherlich am erfolgreichsten der bekannte Schauspieler Günther Strack und der Nackenheimer Willi Weiner, der diese Rolle zwei Jahrzehnte spielte und auch für Strack eingesprungen war.

    Aufführung "Der fröhliche Weinberg" 2016 vor dem Nackenheimer Rathaus (Foto privat)
    Das Gedenken an den 100 Geburtstag von Carl Zuckmayer, das 1996 begangen wurde, hat das Interesse an seinem Werk und damit auch am Fröhlichen Weinberg wieder stärker werden lassen. Die Carl Zuckmayer-Gesellschaft und Zuckmayers Geburtsort Nackenheim erreichen vermehrt Anfragen zu Details des Stückes, insbesondere zu den Melodien der Lieder, die in die Handlung eingeflochten und in manchen Szenen ihr wesentlicher Bestandteil sind. Mit dem fröhlichen Weinberg begann der Erfolg von Carl Zuckmayer. Er wird weiter die Erinnerung an diesen großen Dichter und Dramatiker aufrecht erhalten.

    Autor: Bardo Kraus
    Veröffentlicht im Heimatjahrbuch 2000 des Landkreises Mainz-Bingen, Verlag Dr. Gebhardt+Hilden GmbH, Hohlstraße 14-18, 557343 Idar-Oberstein

    1) Käte Haack in "Festschrift für Carl Zuckmayer", Krach, Mainz, 1976

    2) Carl Zuckmayer, "Als wär's ein Stück von mir", S. Fischer, Frankfurt a.M., 1966 S. 460

    3) Carl Zuckmayer, a.a.O., S. 463

    4) Carl Zuckmayer, a.a.O., S. 450

    5) Carl Zuckmayer, a.a.O., S. 468

    6) Carl Zuckmayer, a.a.O., S. 469